In vielen Unternehmen geht der IT-Einkauf im operativen Tagesgeschäft unter. Er schafft es häufig nicht, sich ausreichende Freiräume für die großen, fürs Unternehmen wesentlichen Beschaffungsprojekte zu schaffen. Wir zeigen auf, wie der Aufwand für das operative Tagesgeschäft durch Digitalisierung reduziert werden und wie zusätzlich Künstliche Intelligenz (KI) dazu beitragen kann. Bezüglich KI werden wir einige Anwendungsbeispiele geben, die eine deutliche Aufwandsreduzierung für das Personal im IT-Einkauf ermöglichen. Zum Schluss werden wir einen kurzen Blick auf hierfür zusätzlich zu entwickelnden Kompetenzen werfen.
Typische Ausgangssituation
Auch heute noch ist in diversen Unternehmen der IT-Einkauf sehr reaktiv unterwegs. Ein nicht geringer Anteil der Beschaffungsanforderungen aus den Fachbereichen kommt nicht planbar herein und ist möglichst schnell abzuarbeiten. Es bleibt oft nicht viel Zeit für Marktsondierung, Konkurrenzangebote und Verhandlungen. Insbesondere letztere sind teils kaum noch möglich, wenn der Fachbereichsvertreter schon mit seinem favorisierten Anbieter gesprochen hat. Und wenn er zudem die Leistungen beziehen will.
In dieser Situation sollte es das Ziel des IT-Einkaufs sein, den Aufwand für die häufig auftretenden Einkäufe von kostenseitig überschaubaren IT-Produkten und -Dienstleistungen massiv zu reduzieren und planbarer zu machen. Im Folgenden wollen wir hierfür zwei Verbesserungsansätze aufzeigen, die auch sehr gut in Kombination genutzt werden können: (1.) der Digitalisierungs-Ansatz und (2.) der Einsatz von KI.
Verbesserungsansatz durch Digitalisierung
Für das Segment von intern häufig angefragten IT-Produkten werden Standardwarenkörbe definiert, die den Großteil der Anforderungen der Fachbereiche deckt. Hierfür ist in der Regel eine Zusammenarbeit mit der IT-Abteilung und dem Management erforderlich. Die IT-Abteilung kennt die Anforderungen ihrer IT-Kunden und kann Standards für derartige IT-Produkte festlegen, Sonderanforderungen sollten nur über eine gesonderte Genehmigung freigegeben werden. Das Management muss den Standardisierungsansatz aktiv unterstützen und dafür sorgen, dass Sondergenehmigungen Ausnahmen bleiben.
Für die in den Standardwarenkörben definierten IT-Produkte kann der IT-Einkauf dann längerfristige Rahmenverträge ausschreiben. Das so entstehende größere Abnahmevolumen schafft die Basis für attraktive Preise.
Um den IT-Einkauf nach Abschluss das Rahmenvertrags wirklich zu entlasten, ist zudem der Prozess für Einzelabrufe aus dem Warenkorb zu digitalisieren. Hierfür ist ein Bestellkatalog-System einzurichten und der Bestellprozess weitgehend zu automatisieren. Idealerweise kann der IT-Anwender direkt in einem Serviceportal Warenkatalog-Produkte anfragen, die Bestellung wird direkt im ERP-System ausgelöst und bei Wareneingang die Rechnung automatisch geprüft und bezahlt.
Abbildung 1: Digitalisierung des Prozesses „Abrufe aus dem Warenkorb“
Wenn die Digitalisierung mit ausreichender Konsequenz gelingt, ist der Aufwand des IT-Einkaufs bei der Beschaffung von Standard-Warenkorb-Produkten minimal. Er stellt sicher, dass Warenkorbbestellungen problemfrei ablaufen, und kümmert sich um Warenkorb-Aktualisierungen und um die Beschaffung von – dann hoffentlich selten auftretenden – Sonderanforderungen.
Der Einsatz von KI im IT-Einkauf
KI kann dem IT-Einkauf in verschiedenen Aufgabenbereichen Arbeit abnehmen und somit personellen Aufwand reduzieren. In der nachfolgenden Tabelle 1 sind einige beispielhafte Einsatzfelder angeführt.
EINSATZFELD | KI-FUNKTIONEN |
Datenanalyse | Analyse großer Beschaffungsmarkt- und Einkaufsdaten – Muster-, Trend- und Anomalien-Erkennung |
Leistungsspezifikation | Beschreibung von Bedarfen, IT-Produkten und Services – Input für Angebotsanfragen und Ausschreibungen |
Lieferantenmanagement | Analyse und Kategorisierung von Lieferantendaten – Auswahl geeigneter Lieferanten |
Vertragsmanagement | Automatische Vertragsanalyse – Risikoerkennung und Risikohinweise |
Preisoptimierung | Überwachung von Preisdaten und -entwicklungen – Empfehlungen für optimale Preisstrategien |
Kommunikation | Automatisches Verfassen von E-Mails, Anfragen und Bestellungen |
Verhandlungsunterstützung | Analyse historischer Verhandlungsdaten und aktueller Marktpreise – Empfehlungen für Verhandlungsstrategien |
Ausgaben-Analyse | Zahlungsdaten analysieren, klassifizieren und kategorisieren; Ausgabenstruktur transparent machen |
Tabelle 1: beispielhafte Einsatzfelder von KI im IT-Einkauf
Im Folgenden stellen wir drei typische Aufgabenbereiche im IT-Einkauf vor, in denen einige der oben angeführten KI-Funktionen konkretisiert werden:
Stammdatenpflege im IT-Einkauf
Im Rahmen des Stammdaten-Managements können KI-Systeme große Datenpakete überprüfen und Inkonsistenzen und Fehler in den Stammdaten identifizieren und korrigieren. Dies können zum Beispiel Produkt- und Lieferantendubletten sowie Inkonsistenzen bei Zahlungsbedingungen sein. Die verbesserte Datenqualität vereinfacht Analysen und Auswertungen im IT-Einkauf.
Angebotseinholung und Bestellung einer angefragten IT-Leistung
Hiermit ist der typische Fall einer Bestellanforderung eines Fachbereichs gemeint, die eine preislich überschaubare IT-Leistung umfasst und für die in der Regel drei Angebote verschiedener Bieter eingeholt werden. Die KI kann den IT-Einkäufer in allen Arbeitsschritten Arbeit abnehmen. Hier einige Beispiele:
Sie kann die Anforderungen des Fachbereichs in eine technische Spezifikation übersetzen. Sie kann auch ähnliche Produkte identifizieren, die bereits in der Vergangenheit beschafft wurden, und diese Informationen nutzen, um die Spezifikation zu verfeinern.
Bei der Anbieterauswahl kann die KI eine Vorauswahl treffen, indem sie Leistungsangebote verschiedener Anbieter sowie deren Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit analysiert und bewertet. Hierfür kann sie öffentlich verfügbare Informationen und historische Daten aus dem eigenen Unternehmen heranziehen.
Bei der Kommunikation mit Bietern hilft die KI, indem sie Anfragen an die ausgewählten Anbieter und Texte für den E-Mail-Verkehr formuliert. Sie kann auch bei Verhandlungen unterstützen, indem sie Preis- und Vertragsbedingungen basierend auf vordefinierten Regeln und Strategien vorschlägt.
Beim Angebotsvergleich kann sie die Angebote der verschiedenen Anbieter analysieren und vergleichen. Sie kann die Angebote basierend auf verschiedenen Kriterien wie Preis, Qualität, Lieferzeit und Service bewerten und eine Rangliste der besten Angebote erstellen.
Bei der Prüfung der AGBs bzw. Vertragskonditionen der Bieter kann sie diese analysieren und potenzielle Risiken identifizieren. Sie kann auch Vorschläge für Vertragsänderungen machen, um die Risiken zu minimieren.
Ausgaben-Analyse zum Zweck der Kostenminimierung
KI-Systeme können Zahlungsdaten analysieren, klassifizieren und kategorisieren, um die Ausgabenstruktur übersichtlicher und transparenter zu machen. So können unnötige Mehrausgaben reduziert bzw. vermieden werden. Zum Beispiel kann KI aufdecken, dass mehrere Bestellungen bei einem Anbieter über verschiedene Verträge geregelt sind und dass hier durch Bedarfsbündelung Einsparpotenziale bestehen.
Fazit – Digitalisierung und KI im IT-Einkauf
Sowohl die aufgezeigte Digitalisierung, insbesondere in operativen Bereichen wie der aufgezeigten Automatisierung der Abrufe aus dem Standard-Warenkorb, als auch der Einsatz von KI kann die Mitarbeiter im IT-Einkauf massiv entlasten.
Dies schafft Raum für die sorgfältige Planung, Durchführung und Verhandlung der großen Beschaffungsmaßnahmen im Unternehmen, insbesondere im Rahmen von großen IT-Projekten wie zum Beispiel der Einführung eines neuen Customer-Relationship-Management-Systems oder einem IT-Outsourcing-Vorhaben. Auch bei diesen Maßnahmen können Digitalisierung und KI dann wieder unterstützen.
Bei Einsatz von KI im IT-Einkauf ist insbesondere zu berücksichtigen: Wenn Mitarbeiter im IT-Einkauf noch keine KI-Erfahrung haben, ist eine initiale Schulung und Einweisung dringend zu empfehlen. Mitarbeiter sollten ein grundlegendes Verständnis für KI entwickeln. Dies umfasst Kenntnisse in Datenanalyse, Formulierung von Anfragen an (generative) KI und Interpretation von KI-generierten Ergebnissen.
Bei der Arbeit mit KI-generierten Ergebnissen ist es wichtig, diese kritisch zu hinterfragen und ihnen nicht blind zu vertrauen. Es sollte immer eine menschliche Überprüfung und Interpretation der Ergebnisse geben. Ziel dabei ist es, sicherzustellen, dass sie im Kontext des Geschäftsziels sinnvoll sind. In diesem Zusammenhang erhält die eigene Einkaufs-Kompetenz und die Kenntnis der für das eigene Unternehmen relevanten IT-Beschaffungsmärkte noch einmal eine zusätzliche Bedeutung.